Beschreibung
Begonnen hat es mit einer Information des Sächsischen Musikrates, dass “der Dresdener Bachchor unter Herrn KMD Markus Leidenberger zum Dresdner Stadtjubiläum 2006 die Uraufführung eines oratorischen Werkes initiieren möchte und auf der Suche nach einem geeigneten Komponisten in Sachsen ist, der Erfahrung in der Behandlung von Chor- und Orchesterliteratur hat”.
Gerade war eine CD mit vokalsinfonischen Werken von mir erschienen, auf der u.a. mein 1983 für den 20. Deutschen evangelischen Kirchentag in Hannover komponiertes Oratorium “Laudate Ninive” enthalten war. Es muss wohl letztendlich den Ausschlag gegeben haben, dass ich den Auftrag erhielt und auch bewirkt haben, dass der Intendant für das Stadtjubiläum, Herr Dr. Barlmeyer, bereit war, diese Uraufführung in das Programm für die 800-Jahrfeier aufzunehmen und zu unterstützen.
Schon lange hatte mich das Buch Jesaja beschäftigt, das in seiner klaren und kraftvollen Sprache am weitesten in das Neue Testament hineinreciht. Daraus wählte ich Texte aus, die mir geeignet schienen, auch weil sie am meisten aktuelle Bezüge enthielten. Es entstand eine Fassung in 11 Teilen mit den Themen Übertretung – Strafandrohung – Ermahnung – Schuldbekenntnis – Reue – Buße – Erhörung – Gnade – Lobpreis – Dank – Aufbruch für Alt, Bass, Sprecher und mittleres Orchester (eine Art erweiterte Beethovenbesetzung ohne Pauken und Harfe), die den Bogen von Verfall und Wandlung bis hin zum Aufbruch schlug, in die noch der 127. Psalm einbezogen wurde (siehe Titel).
Schwieriger gestaltete sich der Wunsch, einen Bezug zu Dresden herzustellen, zumal ich kein Werk schaffen wollte, das sich mit einem solchen Anlass erledigt haben könnte, weil es zu lokal orientiert war. Nach vielen vergeblichn Versuchen, zeigenössische Literatur einzubeziehen, entsann ich mich an eine 1988 im Union-Verlag erschienene Sammlung von über 120 Gedichten Karl Mays mit dem Titel Himmelsgedanken. Ich wählte aus verschiedenen Gedichten einige Strophen aus, die ich meist an den Schluss der jeweiigen Teile stellte und die in der Mehrzahl dem Chor übertragen wurden, so dass – wie ich glaube – eine überzeugende Form entstand. Außerdem musste der Schwierigkeitsgrad für einen guten engagierten Oratorienchor berücksichtigt werden, was eine ständige Konsultation mit dem inzwischen zum Landeskirchenmusikdirektor ernannten Dirigenten erforderte.
Es war meine Absicht, eine Komposition zu schreiben, die gut und praktikabel aufführbar ist, dem Rezeptionsverhalten aufgeschlossener Zuhörer entgegen kommt; die sich nicht in avantgardistischen Spielereien gefällt, sondern Inhalt und Anliegen engagiert gestaltet und dem Bachschen Gedanken von “Soli deo gloria” gerecht werden möchte.
Günter Neubert