In über sechs Jahrzehnten hat Felicitas Kukuck neben Instrumentalwerken ein reiches Werk geistlicher und weltlicher Vokalmusik geschaffen und dabei einen sehr eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt. Ihr Kompositionslehrer Paul Hindemith hat Felicitas Kukuck nachhaltig beeinflusst. Sein Bekenntnis zur ethischen Verpflichtung des Komponisten ist für sie richtungweisend geworden. Die konkreten Bedingungen einer Aufführung, d.h. den Anlass, das Können der Ausführenden, das Publikum, den Ort bereits bei der Komposition selbst zu berücksichtigen, ist für sie nie eine Einengung, sondern eine musikalische Herausforderung gewesen. Wie für Hindemith bestimmen Techniken wie die übergeordnete Zweistimmigkeit und harmonisches Gefälle sowie Sekundbrücken ihren Kompositionsprozess.
Felicitas Kukuck, geb. Cohnheim, wurde am 2. November 1914 in Hamburg geboren. Ihr Vater, Prof. Dr. med. Otto Cohnheim, und ihre Mutter Eva Cohnheim förderten die künstlerische Entwicklung von Felicitas von Kindheit an. 1916 änderte ihr Vater auf Wunsch seiner Mutter seinen jüdischen Namen in Kestner um.
Felicitas besuchte die Lichtwarckschule, die bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten Wert auf eine weltoffene Kulturkunde und Erziehung zu selbständigem Denken und Urteilen gelegt hatte, bis zum Jahre 1933. Ihr Abitur machte sie 1935 im Landschulheim der Odenwaldschule. An der Berliner Musikhochschule studierte Felicitas zunächst Klavier und Querflöte. 1937 bestand sie die Privatmusiklehrerprüfung für Klavier, bekam jedoch sogleich Unterrichtsverbot wegen ihrer teiljüdischen Abstammung.
Bei Paul Hindemith studierte sie bis zu dessen Emigration nach Amerika Komposition. 1939 schloss sie ihr Musikstudium mit der künstlerischen Reifeprüfung für Klavier ab. Dass sie nicht von den Nazis verfolgt wurde, verdankt sie Dietrich Kukuck, der Felicitas 1939 heiratete. Er fand einen vernünftigen Standesbeamten, dem er mutig und entschlossen eine ‘astreine’ Geburtsurkunde mit dem Namen Kestner vorlegte. 1940 wurde ihr erster Sohn Jan geboren.
Felicitas Kukuck hat sich in der Nazizeit, vor allem als Komponistin, nie entmutigen lassen. In Berlin war ihre teiljüdische Herkunft unbekannt. Sie nahm eine Jüdin bei sich auf. Die rettende Bleibe brannte 1945 am 3. Mai, dem letzten Kriegstag in Berlin, nieder. Während ihr Sohn Jan mit der ‘Aktion Storch’, die die Engländer für die hungernden Kinder organisierten, im Oldenburger Land war, siedelte Felicitas Kukuck 1945 mit einem Flüchtlingstransport nach Hamburg um. 1946 wurden dort ihre Zwillinge Margret und Irene geboren. 1948 zog sie mit ihrer Familie nach Hamburg-Blankenese, wo ihr jüngster Sohn Thomas geboren wurde.
Von herausragender Bedeutung für die Komponistin war die freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Lektor des Möseler Verlages und Leiter des Norddeutschen Singkreises, Gottfried Wolters. Aus ihrem umfangreichen Werkverzeichnis seien zwei Oratorien und zwei Kirchenopern erwähnt: ‘Das kommende Reich’, Uraufführung 1953 in Hamburg, ‘Der Gottesknecht’, Uraufführung 1959 in Hamburg und Berlin, ‘Der Mann Mose’, Uraufführung 1986 in Hamburg und 1989 beim Evangelischen Kirchentag in Berlin wiederaufgeführt, und ‘Ecce Homo’, Uraufführung 1991 in Hamburg. Mit ihrem eigenen ‘Kammerchor Blankenese’ hob Felicitas Kukuck beide Stücke in der Blankeneser Kirche aus der Taufe.
In ihren neuesten Werken setzt sich Felicitas Kukuck mit existenziellen Fragen unserer Zeit – mit Krieg und Frieden, mit Auschwitz, Hiroshima und Tschernobyl – auseinander. Im Gedenken an die atomare Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki wurde am 11. August 1995 im Rahmen einer Weltfriedenswoche in Hamburg ihre Kantate ‘Und es ward: Hiroshima. Eine Collage über Anfang und Ende der Schöpfung’ in der Turmruine St. Nikolai, die heute ein Mahnmal ist, uraufgeführt.
Auch im Alter von 86 Jahren komponierte Felicitas Kukuck noch täglich. Ständig war sie auf der Suche nach guten Texten, denn es waren, wie sie selbst einmal sagte, ‘die Worte’, die sie ‘entzünden’.
weitere Informationen: www.FelicitasKukuck.de